Was Sie zu den US-Kongresswahlen am Dienstag wissen müssen

https://www.handelsblatt.com/politik/international/midterms-prognosen-themen-moegliche-konsequenzen-das-wichtigste-zu-den-us-kongresswahlen/23522210.html

Washington/New YorkDie Kongresswahlen in den USA sind traditionell auch eine Abrechnung mit der Politik der Regierung in Washington. Präsident Donald Trump ist im Wahlkampf im Dauereinsatz für seine Republikaner. Sollten die Demokraten wie vorausgesagt wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernehmen, könnte ihm ein Amtsenthebungsverfahren drohen. Unklar ist, wie die Märkte reagieren werden.

In einigen Staaten, etwa in Florida, sind zudem spannende Auseinandersetzungen um Gouverneursposten im Gange. Außerdem werden etliche lokale Ämter vergeben, etwa in Parlamenten der Bundesstaaten oder an Gerichten. Auch lokale Initiativen stehen zur Abstimmung, dabei geht es beispielsweise um die Legalisierung von Marihuana in bestimmten Bundesstaaten.

Mit welchem Wahlergebnis wird gerechnet?

Bei den Kongresswahlen in der Mitte zwischen zwei Präsidentschaftswahlen bekommt meist die Regierungspartei einen Denkzettel verpasst. Tatsächlich müssen Trumps Republikaner Umfragen zufolge bei dieser Zwischenwahl befürchten, die Mehrheit im Repräsentantenhaus – dem Unterhaus im US-Parlament – zu verlieren.

Dafür müssten die oppositionellen Demokraten 23 Sitze zulegen. Im Senat – dem Oberhaus – zeichnet sich ab, dass die Republikaner ihren knappen Vorsprung von derzeit 51 zu 49 Sitzen halten können. Meinungsforscher rechnen jedoch damit, dass wichtige Senats-Posten in Ohio, Florida, Wisconsin und Michigan an die Demokraten gehen.

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Trumps Beliebtheitswerte kurz vor den Kongresswahlen sind schlechter als die seiner vier Vorgänger zum selben Zeitpunkt in deren Amtszeit. Nach den Wahlforschern der Seite FiveThirtyEight – die mehrere Umfragen zusammenführen – sind nur 41,9 Prozent der Amerikaner mit der Arbeit des Präsidenten zufrieden. Bei seinem Vorgänger Barack Obama lag der Wert zum selben Zeitpunkt bei 44,9 Prozent.

Meinungsforscher sehen allerdings noch Rennen in fünf Bundesstaaten um Senatssitze als unentschieden an – in Indiana, Nevada, Missouri, Florida und Arizona. Sollte es den demokratischen Bewerbern gelingen, all diese Sitze zu holen, könnte es zum Patt kommen. Die Republikaner wären aber auch dann im Vorteil, denn bei einem „Unentschieden“ entscheidet die Stimme von Vizepräsident Mike Pence.

Wie verlässlich sind die Prognosen?

Umfragen in den USA sind mit Vorsicht zu genießen. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 sahen die meisten Meinungsforscher Hillary Clinton vor Trump, wenn auch häufig nur knapp. Allerdings: Zwei noch am Wahltag veröffentlichte Umfragen der University of Southern California gemeinsam mit der „Los Angeles Times“ sowie des Institutes IBD/TIPP wähnten Trump vorn.

Wiederholt sich die Geschichte nun? IBD sieht diesmal einen Neun-Punkte-Vorsprung für die Demokraten. Das würde vermutlich für eine Übernahme der Mehrheit im Repräsentantenhaus reichen, jedoch eher nicht für einen Machtwechsel im Senat.

Größter Unsicherheitsfaktor für die Demoskopen ist die Wahlbeteiligung. Sie ist normalerweise bei Zwischenwahlen sehr gering. Diesmal zeichnet sich jedoch eine signifikant höhere Beteiligung ab – nicht zuletzt auf Grund bereits vorhandener Zahlen von Früh- und Briefwählern.

Umfragen stützen sich zu einem guten Teil auf das Wahlverhalten der Vergangenheit als Basis. Ändert sich jedoch die Zahl der Wähler signifikant, ist dieser Teil der Meinungsforschung nur noch bedingt belastbar – die Demoskopen müssen versuchen, mögliche Verzerrungen auszubalancieren.

Dies ist nur eine zusätzliche Fehlerquelle. Meinungsforscher glauben auch, dass die Abstimmung über die Person des Präsidenten in diesem Jahr noch mehr im Zentrum steht als dies früher der Fall war. Laut einer Umfrage für CNN wollen sieben von zehn Amerikanern die Abstimmung dazu nutzen, um Trump eine (überwiegend ablehnende) Botschaft zu senden. Dies könnte zu unterschiedlichen Effekten führen.

Wenn es Trump in hohem Maße gelingt, seine Basis an die Wahlurne zu holen, würde das den Republikanern helfen. Umgekehrt würde es ihnen schaden, wenn die Demokraten es schaffen sollten, die große Zahl der Trump-Gegner zu mobilisieren. Hinzu kommt eine massive Kluft zwischen den Geschlechtern, die für alle traditionellen Parteien-Milieus gilt: Frauen lehnen Trump mehrheitlich ab, Männer neigen eher dem Präsidenten zu.

Wann gibt es die ersten belastbaren Resultate?

Aufgrund der Größe der Vereinigten Staaten und den vielen Zeitzonen wird mit aussagekräftigen Wahlresultaten am frühen Mittwochmorgen mitteleuropäischer Zeit (MEZ) gerechnet. Bei den Kongresswahlen 2014 stand gegen 3.15 Uhr MEZ fest, wer die Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat, gegen 5.30 Uhr MEZ war klar, wer den Senat gewonnen hat.

Wenn das Ergebnis beim Senat knapp ausfällt, könnte es sich dieses Mal verzögern. An der Ostküste schließen die ersten Wahllokale um Mitternacht MEZ. In Alaska kann bis Mittwoch 7 Uhr MEZ abgestimmt werden.

Welche Konsequenzen hat der Ausgang der Wahlen?

Schon eine Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus könnte für Trump unangenehm werden. Die Demokraten hätten dann die Möglichkeit, zahlreiche Untersuchungen gegen den US-Präsidenten einzuleiten. Je nach deren Ausgang könnte es zu einem Amtsenthebungsverfahren („Impeachment“) gegen Trump kommen, das mit der einfachen Mehrheit im Repräsentantenhaus beschlossen werden kann.

Entschieden würde über eine Amtsenthebung allerdings im Senat, und dort wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig. Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine solche Mehrheit nicht abzusehen.

Mit einer demokratischen Mehrheit im Abgeordnetenhaus und einer republikanischen im Senat käme es aufgrund der Differenzen bei einer Vielzahl an politischen Themen sehr wahrscheinlich zu gegenseitigen Blockaden, wodurch die Funktionsfähigkeit der beiden Kammern – etwa bei der Gesetzgebung – deutlich beeinträchtigt würde.

Und was ist mit den Märkten?

Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Einige Analysten befürchten bei einer Mehrheitsübernahme im Abgeordnetenhaus durch die Demokraten kurzfristig negative Reaktionen am Aktienmarkt.

Laut Robert Pavlik, Anlagemanager bei Slatestone Wealth in New York, gäbe es dann nicht mehr die gleichen Gesetzgebungsmöglichkeiten wie in den vergangenen zwei Jahren. Bliebe es jedoch bei der republikanischen Mehrheit in beiden Kammern, könnte dies laut Experten bei einigen Anlegern, die auf weitere Steuersenkungen setzen, für Erleichterung sorgen.

„Ein Sieg der Republikaner wäre bullisch für den Aktienmarkt“

Andere Markbeobachter wiederum rechnen nicht damit, dass es bei einem Erfolg der Demokraten zu größeren Bewegungen an der Wall Street kommen wird. Seit Wochen sehen Umfragen die Partei in der Wählergunst vorn, weshalb der Markt dieses Ergebnis bereits eingepreist habe.

Zudem hätten die Demokraten ohne Senats-Mehrheit auch weiterhin keine Möglichkeit, marktrelevante Entscheidungen der Trump-Regierung wie etwa die Steuerreform oder die Aufweichung des Dodd-Frank-Gesetzes rückgängig zu machen.

Welche landesweiten Themen könnten die Wahl entscheiden?

Trump war in dem stark polarisierenden Wahlkampf quasi im Dauereinsatz und hat das Thema Migration in den Mittelpunkt gerückt. Wegen eines Marsches von Gruppen lateinamerikanischer Migranten in Richtung der USA schickte der Präsident medienwirksam Tausende US-Soldaten an die Grenze zu Mexiko. Trump sprach von einer „Invasion“ und behauptete, unter den Migranten seien auch Kriminelle und Menschen aus dem Nahen Osten. Belege dafür lieferte er wie üblich nicht.

Der Präsident warnte zudem, die Demokraten würden die Grenze öffnen, die Wirtschaft zerstören, Arbeitsplätze vernichten und sozialistische Verhältnisse wie in Venezuela einführen. Die „Washington Post“ sprach von „apokalyptischen Angriffen“ Trumps und bescheinigte ihm, massiv Unwahrheiten zu verbreiten. Nach einer Statistik der Zeitung hat Trump in den sieben Wochen vor der Wahl mehr als 1400 falsche oder irreführende Behauptungen aufgestellt – im Schnitt 30 pro Tag.

Trump betonte im Wahlkampf auch immer wieder die gute wirtschaftliche Lage der USA. Tatsächlich ist die Arbeitslosigkeit gesunken, die Wirtschaft wächst.

Allerdings hat der Präsident Handelskonflikte mit zahlreichen Ländern losgetreten, darunter auch mit den EU-Staaten und mit China. Die Folgen davon sind noch nicht absehbar. Dennoch feiern ihn seine Unterstützer für die Wirtschaftslage, aber auch für sein aggressives Auftreten.

In welchen Bundesstaaten wird es besonders spannend?

Am Dienstag stehen mehrere Rennen unter besonderer Beobachtung, zum Beispiel das um den Senatssitz in Texas. Der demokratische Aufsteiger Beto O’Rourke ist dort im klassischerweise republikanisch wählenden Texas gegen den amtierenden Senator und früheren Präsidentschaftsbewerber Ted Cruz stark im Kommen. In Umfragen lag O’Rourke kurz vor der Abstimmung allerdings noch hinter Cruz.

Bewerbern wie O’Rourke könnte die sich abzeichnende hohe Wahlbeteiligung vor allem unter Jungwählern helfen. Die „Washington Post“ hatte am Sonntag berichtet, in Texas hätten bereits mehr Menschen von der Möglichkeit des vorzeitigen Wählens Gebrauch gemacht, als dort bei den Kongresswahlen 2014 insgesamt abgestimmt haben.

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