PekingAls die deutsche Wirtschaftselite vor zehn Jahren zur Asien-Pazifik-Konferenz in Singapur reiste, überboten sich die Konzernchefs von Bosch, Siemens und VW mit Lobpreisungen für China. „Länder wie China überspringen gerade mehrere Entwicklungsstufen, für die Europa Jahrzehnte gebraucht hat“, pries der damalige BASF-Chef Jürgen Hambrecht. In der Tat haben viele deutsche Unternehmen im Reich der Mitte viel Geld verdient.
Doch eine Dekade und viele Enttäuschungen später ist die China-Euphorie verflogen. Beim jüngsten Treffen in Jakarta sendete der Chef des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (APA), Hubert Lienhard, eine ganz andere Botschaft: „Es ist heute wichtiger denn je, mit ähnlich denkenden Ländern in der Asien-Pazifik-Region zu kooperieren. Wir brauchen eine starke Allianz, um offene Märkte zu fördern.“ Zu den ähnlich denkenden Ländern zählt China nicht.
„Viele deutsche Manager und Politiker haben bislang gehofft, dass sich China dem Modell der westlichen Marktwirtschaften anpassen wird“, sagt Friedolin Strack, beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für internationale Märkte zuständig.
Doch die Hoffnung wurde enttäuscht. „Unter Präsident Xi Jinping geht der Trend eindeutig in Richtung einer Staatswirtschaft. Darauf müssen wir reagieren.“
Der BDI erarbeitet deshalb ein „China-Papier“, das den deutlichen Strategiewechsel von Wirtschaft und Politik in Deutschland widerspiegelt. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte zunächst darüber berichtet.
China ist vom Partner zum Kontrahenten geworden. Mit diesem Umdenken reiht sich Deutschland in eine Front von Ländern ein, die von Donald Trump angeführt wird.
Der US-Präsident sieht das Reich der Mitte schon länger als „strategischen Konkurrenten“ und ist dabei, einen globalen Handelskrieg gegen China anzuzetteln. Strafzölle auf chinesische Importe in Höhe von 250 Milliarden Dollar hat er bereits verhängt. Lenkt Peking nicht ein, will Trump die Sanktionen verdoppeln.
Seine Kritik am chinesischen Technologieklau, staatlich gesteuerten und finanzierten Direktinvestitionen chinesischer Firmen im Ausland und den Hürden für ausländische Unternehmen beim Marktzugang in China wird inzwischen auch von der deutschen Wirtschaft geteilt.
Konnte die Eroberung des riesigen chinesischen Marktes früher gar nicht schnell genug gehen, warnen BDI und Bundesregierung inzwischen unisono vor einer allzu großen Abhängigkeit vom Reich der Mitte. Mit einem Warenverkehr von zuletzt 187 Milliarden Euro ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner.
Die Stimmung trübt sich bereits ein. Laut dem World-Economic-Business-Outlook, den der DIHK am Freitag vorlegt, erwartet jedes zehnte deutsche Unternehmen in China in den nächsten zwölf Monaten schlechtere Geschäfte.
Die aggressive Industriepolitik Pekings führt zu Konflikten. So plant die Bundesregierung eine Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung, um die Übernahme deutscher Hightechfirmen durch chinesische Investoren zu erschweren, die oft von Peking unterstützt werden.
Der BDI zieht nach, setzt aber einen anderen Akzent und schlägt vor, die chinesischen Investoren genauer unter die Lupe zu nehmen: „Bei Direktinvestitionen brauchen wir eine größere Transparenz, zum Beispiel durch die Offenlegung der Eigentümerverhältnisse, Unternehmensbilanzen nach internationalen Standards und Kreditverflechtungen“, sagt Strack. „Was wir nicht brauchen“, ergänzt der BDI-Vertreter mit Blick auf die Pläne der Bundesregierung, „ist eine umfassende staatliche Kontrolle der Direktinvestitionen.“
Der chinesische Präsident Xi Jinping versucht, der wachsenden internationalen Skepsis entgegenzutreten, und gebärdete sich bei der Eröffnung der „Import-Expo“-Messe in Schanghai erneut als Vorkämpfer für den Freihandel.
Er versprach eine weitere Senkung von Einfuhrabgaben und besseren Schutz geistigen Eigentums. Zudem sollten die Marktzugänge für verschiedene Branchen weiter geöffnet und die Beteiligungsgrenze im Medizin- und Bildungssektor sollte angehoben werden.
In den kommenden 15 Jahren werde China zusätzliche Waren in Höhe von 30 Billionen Dollar importieren sowie ausländische Dienstleistungen für rund zehn Billionen Dollar in Anspruch nehmen. China ist bereits jetzt der zweitgrößte Importeur der Welt. Außerdem will Xi den Abschluss eines Investitionsabkommens mit der EU beschleunigen und strebt eine Freihandelszone mit Japan an. Offensichtlich sucht China nach Verbündeten im Handelskrieg mit den USA. Deshalb darf mit BASF erstmals ein ausländisches Unternehmen eine 100-prozentige Investition in der Volksrepublik tätigen. BMW kann seinen Anteil an einem chinesischen Joint Venture auf 75 Prozent erhöhen.
„Die USA merken, dass China ihnen den Rang rasant abläuft“
An der Skepsis gegenüber China ändert das jedoch wenig: „Diese ständige Wiederholung der Versprechungen, ohne ausreichend konkrete Maßnahmen oder Zeitvorgaben zu erwähnen, hat das Vertrauen der europäischen Geschäftswelt mehr und mehr geschwächt“, kritisiert die EU-Handelskammer in China.
Gelingt es Trump, Deutschland und andere Europäer in seine Front gegen China einzubinden, droht zwischen dem Westen und dem Reich der Mitte ein neuer Kalter Krieg. Der frühere US-Finanzminister Hank Paulson warnt bereits vor einem „eisernen Vorhang“ zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt.
Zwar hat Trump nach einem Telefongespräch mit Xi gerade versichert, die Handelsgespräche mit China liefen gut. Das US-Justizministerium hat jedoch gleichzeitig seine Gangart gegen chinesische Technologiediebe verschärft und die Lieferung amerikanischer Bauteile an den Chiphersteller Jinhua blockiert.
Das Rennen um die Technologieführerschaft wird damit entscheidend im Handelsstreit. „Peking ist bei rund 80 Prozent der Streitthemen kompromissbereit“, sagt Ian Bremmer, Chef der Denkfabrik Eurasia Group. „Die restlichen 20 Prozent sind jedoch nicht verhandelbar.“ Dazu gehört die ehrgeizige Initiative „Made by China 2025“, mit der Peking sich in den Schlüsseltechnologien an die Weltspitze setzen will.