Knorr-Bremse: Ralph Heuwing ist der Durchstarter beim Zulieferer

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Ralph Heuwing zeigt sich entsprechend erleichtert. „Die Woche vor dem Börsengang war nicht die einfachste des Jahres“, blickt der Finanzchef von Knorr-Bremse zurück. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Mit dem Sprung auf das Parkett hat für den Bremsenhersteller für Züge und Lkw eine neue Ära begonnen.

Fast vier Milliarden Euro hat der Börsengang gebracht, es war der zweitgrößte in diesem Jahr. Das Geld fließt alleine dem Eigentümer Heinz Hermann Thiele und seiner Tochter zu. Sie hatten Aktien abgegeben. Mit dem Schritt sichert der 77-jährige Thiele sein Lebenswerk ab und regelt die Nachfolge in dem Unternehmen, in dem er als Sachbearbeiter begonnen hatte. Doch ohne Heuwing wäre das Unterfangen deutlich schwerer gefallen.

Wichtiger Ankeraktionär

Denn der erst vor gut einem Jahr zu Knorr gewechselte Finanzchef war es, der die Überzeugungsarbeit in der Finanzszene leistete. 400 Investoren kontaktierte der Finanzchef in den vergangenen Monaten, führte 150 Einzelgespräche. Immer wieder verbreitete er die Story vom einst kleinen Mittelständler, der heute ein Technologiekonzern ist und den Weltmarkt für Zug- und Lkw-Bremsen dominiert.

Gesucht waren „langfristig orientierte Investoren mit einer Perspektive von drei bis fünf Jahren“, betont der 62-Jährige, der aus Nordrhein-Westfalen stammt. Heuwing legt Wert auf Langfristigkeit: Es geht ihm nicht um das Hetzen von Quartal zu Quartal.

Ohnehin hilft den Münchenern, dass Thiele weiterhin die Mehrheit am Konzern besitzt. Das erleichtert auch Heuwings Leben: „Es kann von Vorteil sein, wenn ein Unternehmen einen großen Familienaktionär hat. Solche Konstellationen geben dem Aufsichtsrat und dem Vorstand Rückendeckung für längerfristige Investitionen“, betont der Ex-Berater der Boston Consulting Group (BCG).

Dennoch: Es ist nicht unbedingt einfach, Vorstand im Unternehmen von Heinz Hermann Thiele zu sein. In den vergangenen Jahren sind einige Manager gekommen und wieder gegangen. Heuwing aber ist gekommen, um zu bleiben.

Der Ex-BCG-Partner baute Mitte der 90er-Jahre einen neuen Standort in Indien auf. Damals waren die Berater zu dritt, heute arbeiten dort mehr als 1.000 Menschen. Die Auslandserfahrung hat den Maschinenbauingenieur und Vater zweier Kinder geprägt: „Wenn man in Indien lebt, relativeren sich manche Probleme in Deutschland.“

Das kam ihm zugute, als er im Mai 2007 als Finanzchef bei Dürr begann. Zehn Jahre lang arbeitete Heuwing in dieser Funktion beim Anlagen- und Maschinenbauer. In dieser Zeit lernte er viele Investoren kennen, was sich als Vorteil auch beim späteren Börsengang von Knorr-Bremse herausstellte – denn viele Interessenten kannten ihn bereits von dort. Bei Dürr leitete er die wirtschaftliche Wende ein, begleitete die Internationalisierung und Akquisitionen.

Ihm sei der Ruf vorausgeeilt, dass seine Vorhersagen eher konservativ ausfielen, heißt es. Das kam bei den Investoren gut an. „Mit einem anderen Finanzchef hätte der Börsengang schnell ein teures Experiment für Knorr-Bremse werden können“, sagt ein Großanleger.

Doch Heuwing hat sich Vertrauen aufgebaut. Seine Bilanz bei Dürr kann sich sehen lassen. In seinen zehn Jahren bei den Stuttgartern stieg der Börsenkurs um das Fünffache. Bei seinem Abschied lag die Marktkapitalisierung bei etwa drei Milliarden Euro. Der Umsatz stieg in den zehn Jahren um über 150 Prozent. Der operative Gewinn vor Steuern lag sogar mehr als viermal so hoch. „Heuwing hat bei Dürr geliefert“, betonte ein Investor. Ein Kunststück, das er nun möglichst in München wiederholen möchte.

Erst im November 2017 wechselte er zu Knorr-Bremse. Aber Banker sind voll des Lobes über Heuwing. „Es ist schon eine außergewöhnliche Leistung, in weniger als einem Jahr als Finanzchef einen erfolgreichen Börsengang hinzubekommen“, betont ein Experte.

Allein die Umstellung von der deutschen Rechnungslegung HGB auf die internationale IFRS sei eine Meisterleistung gewesen – und das fehlerfrei und zeitgerecht. „Das war ein Eckpfeiler für die Aktien-Neuemission“, urteilt ein Banker. Im Gegensatz zu Unternehmen im Elite-Index Dax habe Heuwing nicht auf eine Abteilung mit 100 Leuten zurückgreifen können.

Zugang zu Kapital

Trotz Druck hat der eher ruhige, zurückhaltende Heuwing dabei stets die Nerven behalten. Er sei immer auf den Börsengang fokussiert gewesen. Und das, obwohl der Markt mit seinen fallenden Kursen gegen das IPO lief. Erfahrungsgemäß werden Investoren dann preissensitiver. „Doch die Reaktionen auf die Präsentationen vor Großanlegern sind so positiv gewesen, dass das Auftragsbuch sich kaum verändert hat“, berichten Finanzkreise.

Durch die Aktiennotiz hat Knorr-Bremse nun Zugang zu Kapital für Akquisitionen, falls Geld benötigt wird. Doch neue Vorstöße sollten erfolgreicher sein als die gescheiterte Übernahme des schwedischen Konkurrenten Haldex vor etwas mehr als einem Jahr.

Der Aktienkurs von Knorr-Bremse hat sich seit dem Handelsstart auf dem Frankfurter Parkett nur etwas besser entwickelt als der zuletzt stark unter Druck geratene Dax. Hier besteht durchaus noch Raum für Verbesserungen. Finanzchef Heuwing dürfte dies vor allem als Ansporn verstehen.

Iran: Gegen Trumps Sanktionen ist Berlin machtlos

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Berlin, Frankfurt, WashingtonEine neue Klage kam für Donald Trump von unerwarteter Seite: Der TV-Sender HBO schickte Markenrechtsanwälte gen Weißes Haus, um gegen den dortigen Chef vorzugehen.

„Maximalen Druck“ will US-Außenminister Mike Pompeo nun anwenden. Die erneute Verhängung der Sanktionen soll Geldquellen versiegen lassen, „die das Regime nutzt, um terroristische Gruppen zu finanzieren, weltweit Instabilität zu schüren, Atomprogramme und Programme für ballistische Flugkörper zu finanzieren und seine Führung zu bereichern“.

Dazu verbietet Washington allen den Kauf iranischen Öls, Investitionen in den Energiesektor, die Nutzung iranischer Banken und Investitionen in Schiffbau sowie die Nutzung iranischer Schiffe.

Allerdings räumte Pompeo ein, acht Ländern – die er nicht nannte – sei weiter erlaubt, iranisches Rohöl zu kaufen, wenn auch in deutlich geringeren Mengen. Vor allem China, Indien und die Türkei hatten darauf gedrängt, weiter Öl aus dem Iran zu importieren. Der Kreml hat angeboten, iranisches Öl in Russland zu verarbeiten und es als Treibstoff weltweit zu verkaufen.

Zahlung wird unmöglich

Deutsche Firmen können indes kaum mit Hilfe rechnen. EU-Kommission und Bundesregierung haben europäischen Unternehmen nur wenig Schutz zu bieten.

Weder das von der EU in Kraft gesetzte Blocking Statute, das europäische Firmen vor US-Sanktionen schützen soll, noch das sogenannte Special Purpose Vehicle, mit dem Europa Zahlungsverkehr mit dem Iran unter Umgehung aller amerikanischen Einflussmöglichkeiten abwickeln will, werden interessierten Firmen zügig helfen. Das räumt die Bundesregierung in einer dem Handelsblatt vorliegenden Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion ein.

Das Bundeswirtschaftsministerium gibt darin zu, dass trotz monatelanger Vorarbeiten für das Special Purpose Vehicle (SPV) völlig unklar sei, „welche konkreten Dienstleistungen in welchem regionalen Rahmen und Umfang ein etwaiges Vehikel anbieten könnten“. Auch die Frage „nach der Marktakzeptanz“ lasse „sich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht belastbar beantworten“.

Und auch bei der Anwendung des Blocking Statute der EU räumt die Bundesregierung ein, dass es eher als „politisches Signal in Richtung USA und Iran zu verstehen“ sei. In der Praxis entscheide das zuständige Gericht.

Auch auf die vom Handelsblatt berichteten Fälle reagiert Berlin mit Ohnmacht: Deutsche Mittelständler kommen bereits jetzt nicht mehr an ihr Geld, das iranische Kunden zahlten, weil deutsche Geschäftsbanken sogar Überweisungen von in Deutschland ansässigen iranischen Banken ablehnen. „Die Bundesbank verfügt über keine öffentlich-rechtlichen Befugnisse, die Geschäftsbanken zur Durchführung des Zahlungsverkehrs mit iranischen Instituten anzuhalten“, heißt es in der Antwort.

„Beim Thema Iransanktionen stellt sich die Bundesregierung taub“, kritisierte FDP-Fraktionsvize Christian Dürr die Regierung. Finanzielle Schwierigkeiten von deutschen Unternehmen, die ins Kreuzfeuer des amerikanisch-iranischen Kräftemessens geraten seien, kümmerten die Bundesregierung offenbar nicht.

Es sei, so Dürr, „ein Skandal, dass die Sanktionen heute sogar verschärft werden und die Regierung weiter untätig zuschaut“. Er frage sich, warum nicht längst ein staatliches Finanzinstitut wie die KfW Iranzahlungen für die Mittelständler abwickele.

Die USA erwarten ebenfalls nicht, dass das SPV funktioniere. US-Finanzminister Steve Mnuchin sagte in einem Telefon-Briefing für Journalisten, es gebe „keine Anzeichen, dass es relevant wird für Irans Einnahmen“. Falls doch, „werden wir aggressive Maßnahmen ergreifen“.

Zuletzt hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in einem Telefonat mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammed Javad Zarif am Freitag „intensive Anstrengungen“ und „laufende Bemühungen“ zugesagt, „damit Unternehmen, die EU-Recht einhalten, weiter legitimerweise Handel mit dem Iran betreiben können“.

Irans Öleinnahmen sinken bereits massiv

Irans Oberster Revolutionsführer, Ajatollah Ali Chamenei, keilte gegen die US-Vorwürfe zurück und schrieb, Trump sei eine Schande für das Ansehen Amerikas. Trotz 40 Jahren Sanktionen der USA habe der Iran sich durchgesetzt und sei „der Gewinner“, sagte er zum Jahrestag des Beginns der 444-tägigen Besetzung der US-Botschaft in Teheran im Jahr 1979.

Irans Öleinnahmen sinken bereits massiv. Japan und Südkorea haben iranische Öllieferungen komplett gestrichen, China, Indien und andere reduziert. Seit Ende April sind die Ölexporte des Irans von 2,5 auf 1,6 Millionen Barrel (je 159 Liter) täglich gefallen.

Zudem sind Millionen Barrel in schwimmende iranische Lager in China gebracht worden, von wo aus sie nach den neuen US-Sanktionen international vermarktet werden sollen. Um Ölverkäufe zu stimulieren, hatte Teheran zudem wieder private Ölhändler zugelassen und den Preis für iranische Rohölsorten gesenkt.

Experten rechnen mit einem weiteren deutlichen Rückgang und entsprechend niedrigeren Exporterlösen. Dies setzt die ohnehin kränkelnde Wirtschaft des Irans weiter unter Druck. Bereits zu Jahresbeginn war es zu Demonstrationen überall im Land gegen Teherans Führung gekommen. Der reformorientierte Präsident Hassan Ruhani musste zuletzt auf Druck der Hardliner den Zentralbankchef sowie den Wirtschafts- und Finanzminister auswechseln.

Die deutsche Wirtschaft hat nur wenig Hoffnung: Selbst wenn Firmen weiter in den Iran liefern wollen, fehlen ihnen dafür die Banken, die Zahlungen abwickeln. Denn große deutsche Banken meiden Geschäfte mit Iranbezug – auch solche, die in der EU erlaubt sind. Zuletzt gab es laut Branchenkennern noch einige wenige Volksbanken und Sparkassen, die solche Zahlungen annahmen.

Ob sie auch im Zuge der jetzt verschärften US-Sanktionen das Geschäft aufrechterhalten, gilt als fraglich. „Ich erwarte, dass auch diese Banken die Dienstleistung beenden – zumindest vorübergehend“, meint Mostafa Pakzad, der Unternehmen aus Europa oder den USA bei Exporten in den Iran berät. Durch die neuen US-Sanktionen sieht er schwarz: Die Iranexporte seiner Kunden seien bereits auf einen Bruchteil des früheren Volumens gesunken.

Insidebarometer: Topmanager sehen Kaufkurse

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FrankfurtPreisfrage: Was haben die Aktien von BASF, Daimler, Jost Werke, Klöckner & Co und Krones gemeinsam? Antwort: Erstens haben sie alle seit Jahresanfang rund ein Viertel ihres Werts verloren – deutlich mehr als die jeweiligen Indizes, in denen sie notieren. Zweitens halten Vorstände oder Aufsichtsräte den Kursverfall offenbar für übertrieben – und haben deshalb zuletzt selbst in großem Stil die Aktien der Unternehmen gekauft.

Damit sind sie nicht allein. In den vergangenen beiden Wochen gab es 137 sogenannte Insiderkäufe bei deutschen Aktien. Das sind 13 Prozent mehr als zwischen Anfang und Mitte Oktober. Auch die durchschnittlichen Kaufvolumina sind gestiegen. „Das zeigt das breite Kaufinteresse der Topmanager an Aktien der eigenen Unternehmen“, erklärt Olaf Stotz. Der Professor für Asset Management an der Privatuniversität Frankfurt School befasst sich schon lange mit Insiderkäufen und -verkäufen.

Diese Transaktionen sind legal, solange die Betroffenen keine unveröffentlichten börsenrelevanten Informationen nutzen und ihre Wertpapiergeschäfte an die Finanzaufsicht Bafin melden. Stotz hat festgestellt: „Die Insider kaufen in der Regel dann, wenn die Kurse niedrig sind.“

Das liege daran, dass die Vorstände und Aufsichtsräte, die ihr Unternehmen besser einschätzen können als herkömmliche Investoren, mehr auf fundamentale Bewertungskriterien achten als andere Investoren. Als relevante Kennzahlen gelten zum Beispiel Kurs-Cashflow-Verhältnis, Kurs-Buchwert-Verhältnis oder auch das Kurs-Gewinn-Verhältnis.

Leichte Erholung

Von allgemeinen Gefahren für die Märkte wie dem Handelskrieg, dem bevorstehenden Brexit oder dem Streit über den Haushalt des hochverschuldeten Italiens lassen sich die Insider laut Stotz dagegen kaum schrecken. Genau das war aber zuletzt das Problem. Wegen der allgemeinen Sorgen um Politik und Konjunktur erfüllte sich die Hoffnung auf steigende Kurse in diesem Jahr nicht.

Besonders auffällig ist das mit Blick auf Insidergeschäfte bei BASF, Daimler und Klöckner. Bei allen Unternehmen gab es in diesem Jahr schon große Insiderkäufe. Immerhin sind die Aktien aller drei Konzerne in den vergangenen Tagen von ihren zuvor erreichten zum Teil mehrjährigen Tiefs wieder etwas gestiegen. Und fundamental sieht die Lage in der Tat nicht so schlecht aus.

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So hat der Chemiekonzern BASF zwar im dritten Quartal netto zehn Prozent weniger verdient als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Das waren aber immer noch gut 1,2 Milliarden. Konzernchef Martin Brudermüller ist zwar mit der Geschäftsentwicklung nicht zufrieden. Die Aktie hält er aber augenscheinlich für günstig und kaufte gemeinsam mit drei anderen BASF-Vorständen und Aufsichtsratschef Jürgen Hambrecht Aktien auf dem stark gesunkenen Kursniveau (siehe Tabelle).

Hambrecht schlägt doppelt zu

Der ehemalige BASF-Chef Hambrecht schlug als Insider zuletzt doppelt zu. Denn er sitzt zudem im Aufsichtsrat von Daimler und kaufte mit seinem Sohn Stefan auch Daimler-Aktien. Daimler hat die Investoren in diesem Jahr gleich zweimal mit einer Warnung vor sinkenden Gewinnen verschreckt. Im dritten Quartal sank der Nettogewinn des Autokonzerns um 19 Prozent auf knapp 1,8 Milliarden Euro.

Geprägt war das Ergebnis allerdings von hohen Sonderbelastungen. Analyst Frank Biller von der Landesbank Baden-Württemberg rechnet deshalb mit einem „starken vierten Quartal“. Natürlich gibt es für die gesamte Autobranche anhaltend hohe Risiken mit Blick auf den Dieselskandal und den Handelsstreit. Aber: „Die zahlreichen Belastungsfaktoren sollten den Investoren mittlerweile bekannt sein“, meinen die Experten von Commerzbank Wealth Management.

Zu den wenigen Unternehmen, die im dritten Quartal deutlich mehr verdient haben, gehört der Stahlhändler Klöckner & Co. Er verdoppelte seinen Nettogewinn auf knapp 22 Millionen Euro, vor allem wegen der kurzfristig gestiegenen Stahlpreise. Nur hatten Analysten beim Betriebsgewinn mit einem noch besseren Ergebnis gerechnet – und schickten die Aktie auf Talfahrt.

Bei dem Stahlhändler, der sich nach Einschätzung der Commerzbank zunehmend zum Stahlverarbeiter weiterentwickelt, gab es den mit Abstand größten Insiderkauf der vergangenen beiden Wochen. Aufsichtsrat und Unternehmer Friedhelm Loh kaufte über die Beteiligungsgesellschaft Swoctem Aktien für knapp 14,9 Millionen Euro. Bereits im September hatte der Großaktionär Papiere für knapp zehn Millionen Euro erworben. Inzwischen besitzt er mehr als ein Viertel der Klöckner-Anteile.

Auch Verkäufe von Firmeninsidern gab es in den vergangenen Wochen, aber nur bei sehr kleinen Unternehmen unterhalb des SDax. Das Insiderbarometer, das Hochschullehrer Stotz alle 14 Tage gemeinsam mit Commerzbank Wealth Management aus den Käufen und Verkäufen bei allen börsennotierten Unternehmen berechnet, sank leicht auf 155 Punkte.

Mit einem Stand von über 150 Zählern liefert es theoretisch schon seit sieben Wochen ein starkes Kaufsignal für Aktien. Der Dax hat seither jedoch unter dem Strich fast vier Prozent verloren, im Tief waren es sogar mehr als sechseinhalb Prozent.

Liefert das Insiderbarometer also eine Fehlinterpretation? „Das Insiderbarometer ist keine Ampel, bei der es heißt: Bei Grün auf jeden Fall kaufen, so etwas gibt es am Kapitalmarkt nicht“, sagt dazu Stotz. Er sieht aber eine Chance, dass sich die heutigen Kurse mittel- bis langfristig rückblickend als günstig herausstellen, sich der Markt also erholt.

Aktuell seien die zahlreichen allgemeinen Risiken aber schwer zu kalkulieren, vor allem die Lage in Italien. Von daher könnten sich für herkömmliche Anleger und für Insider in absehbarer Zeit noch günstigere Kaufkurse ergeben.

HDE-Konsumbarometer: Optimismus der Verbraucher schwindet

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DüsseldorfDeutschlands Verbraucher wollen zwar in der Vorweihnachtszeit wieder mehr Geld ausgeben als während der heißen Sommermonate. Gleichwohl schwindet ihr Konjunkturoptimismus spürbar.

Da sich diese beiden Effekte weitgehend aufheben, bewegt sich das HDE-Konsumbarometer für den November kaum von der Stelle. Der vom Handelsblatt Research Institute für den Handelsverband HDE berechnete Indikator sagt die Entwicklung des privaten Konsums in den kommenden Monaten voraus.

Der Konjunkturpessimismus kommt nicht von ungefähr. Womöglich ist die deutsche Wirtschaft im Sommer erstmals seit 13 Quartalen wieder geschrumpft. Umstritten unter Volkswirten ist aber, ob dies nur auf Sondereffekte zurückzuführen ist, oder ob sich der Aufschwung dem Ende zuneigt.

Der Einzelhandel bekam die Schwäche jedenfalls schon zu spüren. Im September waren die Umsätze real 2,6 Prozent geringer als im Vorjahresmonat – das höchste Minus seit Juni 2013. Allerdings hatte der Monat einen Verkaufstag weniger als der im Vorjahr.

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Mittelständler will Microsoft, IBM und SAP ausstechen

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DetmoldEs blinkt rot, grün und blau, während Hunderte Kilowatt Strom und Tausende Kommunikationssignale gleichzeitig durch den gläsernen Schaltschrank fließen. In der mehr als 6.000 Quadratmeter großen Produktionshalle wirkt der knapp zwei Meter hohe Kasten klein und unbedeutend. Und doch ist er das Herzstück der Anlage der Weidmüller Interface GmbH & Co. KG in Detmold.

Denn die Signale, die den Schrank durchfließen, weisen Maschinen an, kleinste Plastikteilchen durch Röhren zu transportieren, sie zu erhitzen und zu formen. Am Ende des Fließbands steckt ein Roboterarm unscheinbare Kunststoffblöcke in einen Karton. Es sind Reihenklemmen, die irgendwann ihrerseits in weiteren gläsernen Schaltschränken verbaut werden – und dort blinken sollen, in Rot, Grün und Blau.

Seit fast 70 Jahren produziert das ostwestfälische Familienunternehmen Weidmüller in Detmold Verbindungstechnik für die Elektroindustrie – und verwendet sie in der eigenen Produktion auch selbst. Von Steckverbindern über Anschlüsse für Solarmpaneele bis zu Routern stellt der Konzern alles her, was Maschinen antreibt und miteinander kommunizieren lässt. Vorstandssprecher Jörg Timmermann sagt: „Unser Geschäft ist die Übertragung von Energie, Signalen und Daten.“

Dabei ist Ostwestfalen gewissermaßen ein Hotspot für Verbindungs- und Elektrotechnik: Zusammen mit den Wettbewerbern Wago und Phoenix Contact brachte Weidmüller der Region den Namen „Klemmen-Valley“ ein. Die Nachfrage ist groß genug: Weil immer mehr Unternehmen ihre Produktion digitalisieren, braucht es auch mehr Elektrotechnik, um Energie und Daten zu übertragen.

Schon 2017 erzielte Weidmüller mit einem Umsatz von rund 740 Millionen Euro das beste Ergebnis der Konzerngeschichte. Dieses Jahr will Timmermann sich selbst noch einmal deutlich übertreffen: Mehr als 800 Millionen Euro peilt er für 2018 an. Doch ein immer größerer Teil davon stammt dabei nicht mehr aus dem Verkauf von Verbindungstechnik, die Daten überträgt – sondern aus ihrer Nutzung: also mit Software, die diese Daten analysiert.

Das 1850 gegründete Traditionsunternehmen folgt damit einem Trend, der die Industrie zunehmend verändert. Zwar haben Maschinen und Produktionsanlagen praktisch schon immer eine schier unüberschaubare Menge an Daten produziert – Betriebstemperaturen, Schwingungsfrequenzen und Luftfeuchtigkeit zum Beispiel. Doch kaum jemand war bisher in der Lage, diese Daten zu interpretieren.

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Und so brauchte es bisher stets ein gehöriges Maß an Erfahrung und Glück bei den Mitarbeitern, um zum Beispiel vorherzusagen, wann eine Maschine ein neues Ersatzteil braucht. Meist gelingt diese Prognose nicht – und die Maschine steht wochenlang still, bis der Hersteller nach einem gemeldeten Defekt das Ersatzteil und den Techniker vorbeischicken kann. Das kostet Zeit – und Geld.

Vor allem die großen IT-Konzerne arbeiten daher an verschiedenen Ideen, um dieses Problem zu lösen. Sowohl Microsoft als auch IBM und SAP haben bereits eigene Analyseprogramme im Angebot, die die verborgenen Datenschätze in den Produktionshallen heben sollen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) durchforsten sie Maschinensignale und werten sie aus.

Gibt es eine Auffälligkeit, schlägt der Computer Alarm – und weiß im besten Fall auch schon, wo das Problem liegt. Stillstand soll so vermieden, die Wartung kostengünstiger werden.

Mit dem Mittelständler Weidmüller betrat vor zwei Jahren ein ungleicher Gegner die KI-Arena: Nicht nur hatten die Ostwestfalen kaum Vorkenntnisse im Programmieren von Software. Auch der Vertrieb war vor allem an den Verkauf physischer Einzelprodukte gewöhnt.

„Die Reihenklemme ist bis heute unser größter Verkaufsschlager“, sagt Vorstandssprecher Timmermann. „Doch mit unserer Verbindungstechnik stehen wir buchstäblich an der Schnittstelle vieler großer Umwälzungen in der Industrie. Die wollen wir mitgestalten.“ Es ist ein Kampf wie David gegen Goliath: Auf der einen Seite die IT-Riesen im Silicon Valley und anderswo, die ihre Dollar-Milliarden und Tausende Entwickler ins Rennen schicken können.

Auf der anderen Seite das Familienunternehmen aus Ostwestfalen, das mit rund 45 Millionen Euro schon sechs Prozent seines gesamten Umsatzes in die Forschungs- und Entwicklungsabteilung steckt – und das im Geschäftsbereich „Industrial Analytics“, der die Software entwickelt, gerade einmal 13 seiner rund 4700 Mitarbeiter beschäftigt.

Was IT-Riesen nicht haben

Doch Jörg Timmermann ist zuversichtlich, dass er die Goliaths schlagen kann. „Wir haben etwas, was die nicht haben“, sagt der Vorstandssprecher. „Und zwar Erfahrung im Feld – und das Know-how in der Anwendung.“
Mit dem „Feld“ meint Timmermann die unterste Ebene der sogenannten Automatisierungspyramide, mit der Forscher typischerweise den Datenfluss und die Datenverarbeitung in klassischen Produktionsunternehmen modellhaft darstellen.

Am oberen Ende dieser Pyramide befindet sich zukünftig die Cloud, in der alle Daten, die in einem Unternehmen anfallen, zusammenlaufen – Maschinendaten, Personaldaten, Rechnungsbelege. Hier verortet Timmermann die Kompetenz der großen IT-Konzerne, die viel Erfahrung darin hätten, Rechenzentren zu betreiben und Daten aus aller Welt zusammenzuführen. „Hier können wir kaum konkurrieren.“

Am unteren Ende aber, auf der sogenannten „Feldebene“, befinden sich in dem Modell die Ein- und Ausgangssignale der einzelnen Maschinen – hier kommt wieder der blinkende Schaltkasten ins Spiel.

„Wir beobachten, dass immer mehr Steuerungsaufgaben, die früher im Schaltschrank angesiedelt waren, heute unmittelbar an den Maschinen ausgeführt werden“, sagt Timmermann. Das macht sich die Weidmüller-Software zunutze – und analysiert die Maschinendaten lokal, ohne dass sie vorher in eine Cloud übertragen werden müssten. Ein wichtiger Wettbewerbsvorteil.

„Viele unserer Kunden sind skeptisch, ihre Maschinendaten auf fremde Server hochzuladen“, erklärt Timmermann. Denn oft handelt es sich dabei um sensible Geschäftsgeheimnisse: Wann welche Maschine bei einem Konkurrenten ausfallen könnte, wüsste vermutlich jedes Unternehmen gern. „Unsere Lösung funktioniert auch auf einem einfachen Computer. Nicht einmal eine Internetverbindung ist dafür notwendig.“

Wie das funktioniert, zeigt das Beispiel Boge: Für den Bielefelder Kompressor-Hersteller hat Weidmüller seine Software so angepasst, dass sie den Verschleiß wichtiger Bauteile vorhersagen und für optimale Betriebsbedingungen sorgen kann. Mehrere Graphen visualisieren die verschiedenen Parameter. Schlägt eine Kurve aus, erkennt das Programm den Fehler. Tritt die Anomalie zum ersten Mal auf, kann der Bediener das Fehlerbild für die zukünftige Erkennung einprogrammieren.

Wachstum: 24 Prozent

„Wir sind einer der wenigen Hersteller, die für ihre Software nicht nur theoretische Anwendungsfälle haben, sondern echte Anwendungen unterstützen – und dafür auch schon Rechnungen schreiben“, sagt Timmermann. Positiver Nebeneffekt: Auch die Komponenten, die für die Übertragung der Signale an die Software zuständig sind, werden verstärkt nachgefragt.

Automatische Steuerung

Seit 70 Jahren produziert das ostwestfälische Unternehmen Weidmüller Verbindungstechnik für die Elektroindustrie.

So wuchs der Geschäftsbereich „Automatisierungsprodukte und -lösungen“, der inzwischen für fast ein Fünftel des Umsatzes steht, 2017 um knapp 24 Prozent – und damit am stärksten im gesamten Unternehmen.

Dass Weidmüller in der Softwareentwicklung mit den Großen mithalten kann, ist auch das Ergebnis enger Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. Die Detmolder sind in mehr als 100 verschiedenen Kooperationen und Organisationen aktiv, oft angebunden an regionale Hochschulen. Aus einer solchen entstand auch die Rohform des Analyseprogramms, die Weidmüller in Eigenregie weiterentwickelte. Und noch weiterentwickeln wird.

Gerade erst hat der Konzern angekündigt, dass seine Softwareentwickler ab 2020 in einem neuen Gebäude arbeiten werden – unweit der Universität in Paderborn. „Wir hoffen, dass dadurch viele Nachwuchskräfte aus der IT auf uns aufmerksam werden“, sagt Timmermann. „Das ist für die weitere Entwicklung unser größter Hemmschuh.“

Denn auch im Wettbewerb um Talente konkurriert Weidmüller mit Google, Microsoft und SAP. Doch das ist eine andere Baustelle.